Kurz gesagt: Er ist allseits beliebt, vermag mit seiner angenehmen Art auf den ersten Blick Vertrauen zu erwecken. Seine Praxis ist modern, elegant eingerichtet, und dennoch behandelt er auch weniger vermögende Patienten für ein moderates Honorar. Doktor Fadigati genießt hohes Ansehen in der besseren Gesellschaft Ferraras. Nur daß er immer noch nicht verheiratet ist, kann keiner
so recht verstehen.
Als Gerüchte aufkommen, Fadigati sei dem eigenen Geschlecht zugetan, wird gnädig der Deckmantel des Tuschelns hinter vorgehaltener Hand darübergelegt - solange Fadigati die Fassade der Wohlanständigkeit aufrechterhält. Als er sich in einen sportlichen Studenten verliebt, der ihn vor den Augen der versammelten Ferrareser Gesellschaft zum Idioten macht, wird der Stab des Spotts über ihn gebrochen.
Erzählt wird die Geschichte von einem jüdischen Mitstudenten des skrupellosen Schönlings - einem Erzähler, den der aufkommende Antisemitismus des faschistischen Italien ein feines Gespür für den Stimmungswandel im Bürgertum entwickeln ließ.
Bassani zeichnet in 'Die Brille mit dem Goldrand' ein präzises Portrait der guten Gesellschaft und erzählt von den Umständen, unter denen diese gute Gesellschaft ihr Fähnchen in den (faschistischen) Wind hängt.
Über den Autor Giorgio Bassani
Giorgio Bassani, geboren 1916 in Bologna, lebte bis 1943 in Ferrara. Beteiligte sich am Widerstand; nach der Befreiung Italiens arbeitete er als Schriftsteller und Redakteur. Als Lektor entdeckte er für den Verlag Feltrinelli den Roman 'Der Leopard', mit dem Tomasi di Lampedusa berühmt wurde. Bassani erhielt alle großen Literaturpreise Italiens, darunter 1962 den Premio Viareggio für 'Die Gärten der Finzi-Contini'. 1969 wurde er für sein Gesamtwerk mit dem Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund ausgezeichnet. Bassani starb 2000 in Rom.