Eine wichtige Ergänzung zu den von Schott neu publizierten Orchestermaterialen ist die Erstveröffentlichung von Klavierauszügen zu den zehn großen Opern von Richard Wagner in allen wichtigen Fassungen. Damit bieten wir den Bühnen und interessierten Opernliebhabern erstmals Klavierauszüge als Urtext-Ausgaben, die nach einheitlichen editorischen Kriterien konzipiert wurden:
* Der Notentext ist auf das Aufführungsmaterial der Gesamtausgabe abgestimmt.
* Alle Klavierauszüge sind proben- und studierpraktisch mit Studierziffern und durchgehenden Taktzählern ausgestattet.
* Als Herausgeber konnten renommierte Musikwissenschaftler aus dem Umkreis der Richard Wagner-Gesamtausgabe gewonnen werden, die in kritischen Vorworten Detailinformationen zu den jeweiligen Ausgaben vermitteln.
* Die Vorworte sind in drei Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch) abgedruckt.
* Eine einheitliche und ansprechende Umschlaggestaltung mit Reproduktionen von Gemälden aus der Wagner-Zeit unterstreicht den Reihen-Charakter der Edition.
TRISTAN UND ISOLDE
Aus der Gesamtausgaben-Edition von Tristan und Isolde wurden die Ausführungsanweisungen des Sängers Ludwig Schnorr von Carolsfeld in den Klavierauszug übernommen, die dieser in sein Handexemplar der Tristan-Stimme eingezeichnet hatte, das er für die Münchener Uraufführung von 1865 benutzt hatte. Seine Interpretation der Titelpartie hatte Richard Wagner tief beeindruckt.
Erstmals sind in einem Klavierauszug zu Tristan und Isolde alle Striche - mit den dazu gehörigen Überleitungstakten - eingearbeitet, die von Richard Wagner selbst vorgenommen wurden, seine Zustimmung gefunden haben und, in zwei Fällen, von ihm sogar für endgültig erklärt wurden. Diese Striche dokumentieren eindrucksvoll Wagners Ringen um die endgültige Form des Werkes.
Erstmals finden sich in einem Auszug alle von Richard Wagner selbst vorgeschlagenen, aus den verschiedenen von ihm selbst betreuten Aufführungen erwachsenen Ossia-Varianten für die Sänger. Hierzu schreibt Egon Voss in seinem Vorwort zum Klavierauszug:
"Solche 'Punktierungen', wie man sagte, waren im 19. Jahrhundert gängige Praxis, der sich auch Wagner, wie das Beispiel zeigt, nicht entzog. Er war Bühnenpraktiker genug, um zu wissen, dass ein schlecht gesungener Spitzenton mehr verdirbt als der Verzicht darauf. Auch Transpositionen längerer Abschnitte hat Wagner geduldet, weil es ihm nicht um den Buchstaben der Partitur zu tun war, sondern um die musikalisch-theatralische Wirksamkeit. [...] Der hier vorgelegte Klavierauszug geht [...] insofern über die Gesamtausgabe hinaus, als er die erwähnten Ossia-Fassungen der Singstimmen im Notentext selbst - im Kleinstich - mitteilt. Sie betreffen hauptsächlich die Partie des Tristan, aber auch diejenigen Isoldes, Brangänens und Kurwenals. Sie fußen zu einem Teil auf der Tristan und Isolde-Edition innerhalb der Gesamtausgabe, gehen aber zum größeren Teil auf eine Quelle zurück, die für die Gesamtausgabe nicht berücksichtigt werden konnte, weil sie ihr noch nicht zugänglich war. Es handelt sich dabei um einen Klavierauszug aus dem Besitz des Komponisten Peter Cornelius, der bei den Wiener Proben 1861-1863 im Auftrag Wagners als Korrepetitor fungierte. Dass die in diesem Klavierauszug enthaltenen Ossia-Fassungen auf Wagner zurückgehen, darf als sicher angenommen werden, da sie an einigen Stellen von seiner eigenen Hand notiert sind." (Egon Voss, zitiert nach dem Vorwort zum Klavierauszug)
Die von Egon Voss erwähnten Transpositionen - zwei von Hans von Bülow für die von ihm dirigierte Wiederaufnahme des Werkes 1869 in München ausgeführt, die dritte von Wagner selbst 1861 vorgeschlagen - sind im Anhang des Klavierauszuges abgedruckt.
Diese Ossia-Fassungen und Transponierungen wie auch die Striche stehen damit für den bühnen- und probenpraktischen Einsatz zur Verfügung.
Die Striche sind auch im Orchestermaterial zu Tristan und Isolde eingearbeitet. Für die Ossia-Fassungen gilt dies in den Fällen, in denen diese Auswirkungen auf die Orchesterstimmen haben.